Am 13.03.2020 hat der Bundestag einstimmig Änderungen des Kurzarbeitergeldes verabschiedet. Danach gelten rückwirkend zum 01.03.2020 bis einschließlich dem 31.12.2021 Sonderregelungen für die Kurzarbeit. Der Unternehmer, der Kurzarbeitergeld beantragen will, muss mehrere Voraussetzungen erfüllen.
1. Arbeitsausfall
Nur beim Vorliegen wirtschaftlicher Gründe (zum Beispiel mangelnde Aufträge) kann Kurzarbeitergeld (nachfolgend KUG) begehrt werden. Daneben muss ein unabwendbares Ereignis vorliegen, beispielsweise eine behördliche Maßnahme.
Zusätzlich muss der Arbeitsausfall unvermeidbar sein. Als vermeidbar gilt der Arbeitsausfall, der durch Gewährung von bezahltem Erholungsurlaub ganz oder teilweise verhindert werden kann, soweit vorrangige Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers der Urlaubsgewährung nicht entgegenstehen oder durch Abbau eines eventuell vorhandenen Arbeitszeitkontos ganz oder teilweise vermieden werden kann.
Die einseitige Anordnung von Urlaub muss nach arbeitsrechtlichen Maßstäben zulässig sein. Arbeitsrechtlich ist grundsätzlich der Wunsch des Arbeitnehmers ausschlaggebend, es sei denn betriebliche Belange stehen entgegen. Insoweit muss eine Abwägungsentscheidung unter Berücksichtigung des grundsätzlichen Vorrangs des Arbeitswunsches des Arbeitnehmers erfolgen. Auch sind kollidierende Urlaubsansprüche von mehreren Beschäftigten zu berücksichtigen. Voraussetzung für die Erfüllbarkeit des Urlaubsanspruchs ist die ansonsten bestehende Arbeitspflicht für die Zeit des Urlaubswunsches. Für die Zeit der Kurzarbeit Null besteht keine arbeitsvertragliche Arbeitspflicht, von der der Arbeitgeber den Arbeitnehmer befreien könnte, sodass die Kurzarbeit durch Urlaubsgewährung nicht vermeidbar ist, vgl. LSG Sachsen vom 27.05.2010, L 3 AL 183/07, LSG Rheinland-Pfalz vom 25.08.2009, L 1 AL 103/08. Daher muss bei Kurzarbeit Null kein Erholungsurlaub vorher abgebaut werden.
Ähnlich verhält es sich mit einem eventuellen Arbeitszeitguthaben. Bei zulässiger Arbeitszeitregelung hat der Arbeitgeber darzulegen und nachzuweisen, dass im Betrieb bestehende Flexibilisierungsmöglichkeiten vor Einführung der Kurzarbeit ausgeschöpft wurden, sofern sie wirtschaftlich zumutbar sind. Kann der Arbeitsausfall im Rahmen der vereinbarten Arbeitszeitschwankungen nicht ausgeglichen werden, weil sonst der Jahresdurchschnitt der vereinbarten wöchentlichen Arbeitszeit nicht erreicht wird, ist der Arbeitsausfall unvermeidbar. Stehen arbeitsrechtliche Regelungen einer Auflösung von Arbeitszeitguthaben entgegen, kann diese nicht verlangt werden. Während bisher bei einem negativen Arbeitszeitkonto auch das Minussaldo vollständig ausgeschöpft werden musste, ist das aufgrund Gesetzesänderung vom 13.03.2020 nicht mehr der Fall. KUG kann schließlich nur gewährt werden, wenn bei mindestens 10 % der Beschäftigten der Arbeitsbedarf um mehr als 10 % zurückgegangen ist. Vor der Gesetzesänderung mussten ein Drittel der Belegschaft betroffen sein. Bei der Anzahl der Beschäftigten zählen die Geringverdiener mit, die allerdings nicht anspruchsberechtigt sind. Nicht hingegen die Auszubildenden.
2. Betriebliche Voraussetzungen
Die betroffenen Beschäftigten müssen sozialversicherungsrechtlich versichert sein.
3. Persönliche Voraussetzungen
Es kann nur für Beschäftigte KUG beantragt werden, die weder gekündigt sind bzw. einen Aufhebungsvertrag geschlossen haben. Grund ist der Umstand, dass der Ausfall nur vorübergehend sein darf, sodass sich KUG und eine Kündigung wechselseitig ausschließen. Dennoch ist es möglich, Beschäftigte, für die nicht KUG beantragt wird, betriebsbedingt zu kündigen.
4. Anzeige des Arbeitsausfalls
Der Arbeitgeber hat gegenüber der Agentur für Arbeit, in deren Bezirk der Betrieb seinen Sitz hat, schriftlich oder elektronisch den Arbeitsausfall anzuzeigen. Das entsprechende Formular befindet sich auf der Homepage der Agentur für Arbeit. Bei überregional oder bundesweit tätigen Unternehmen kann auf Anfrage ein „Schlüsselkunden-Berater“ durch die Agentur für Arbeit zur Seite gestellt werden, der die Koordinierung in Kurzarbeitsfragen zwischen den eingebundenen Agenturen für Arbeit und den betroffenen Betrieben übernimmt.
Zwingende Voraussetzung für die Anzeige ist der Nachweis über das Einverständnis der Beschäftigten. Dies kann (einvernehmlich) durch Regelungen im Arbeitsvertrag, durch gesonderte Einverständniserklärung des Arbeitnehmers oder durch eine Betriebsvereinbarung erfolgen, wenn beim Arbeitgeber ein Betriebsrat gebildet ist. Denn eine Betriebsvereinbarung hat nach § 77 Abs. 4 BetrVG unmittelbare und zwingende Geltung für alle Beschäftigten (mit Ausnahme der leitenden Angestellten im Sinne des § 5 Abs. 3 BetrVG). Gegen den Willen der Beschäftigten ist das nur mit einer Änderungskündigung möglich. Die entsprechenden Dokumente sind der Anzeige gegenüber der Agentur für Arbeit nachzuweisen. Außerdem sind Angaben zu den Gründen des Arbeitsausfalls zu tätigen. Ist ein Betriebsrat gebildet, ist eine Stellungnahme des Betriebsrats beizufügen, selbst dann, wenn keine Betriebsvereinbarung getroffen wurde.
Die Anzeige des Arbeitsausfalls muss spätestens am letzten Arbeitstag des Monats bei der Agentur für Arbeit eingegangen sein, in dem der Arbeitsausfall begonnen hat. Die Agentur für Arbeit erlässt daraufhin, sofern die Voraussetzungen vorliegen, einen sogenannten Anerkennungsbescheid. Der Anerkennungsbescheid stellt eine Entscheidung über den Grund des KUG-Anspruchs dar. Der Bescheid ist unverzüglich schriftlich zu erteilen. Dem Anerkennungsverfahren schließt sich das Leistungsverfahren an.
5. Antrag auf KUG
Im Leistungsverfahren ist der Antrag auf Bewilligung von KUG (der Höhe nach) zu stellen. Das entsprechende Antragsformular ist genauso wie die KUG-Abrechnungsliste, in die der Umfang des Arbeitsausfalls für jeden einzelnen Arbeitnehmer (neben weiteren Angaben) als Teil des KUG-Antrags auszufüllen und bei der Agentur für Arbeit einzureichen. Nur der Leistungsantrag zusammen mit der Abrechnungsliste stellt den Antrag auf KUG dar. Das KUG ist für jeden Kalendermonat gesondert zu beantragen. Der Leistungsantrag und die Abrechnungsliste sind in einfacher Ausfertigung vom Arbeitgeber unter Beifügung der Stellungnahme des Betriebsrats, sofern vorhanden, innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten bei der im Anerkennungsbescheid bezeichneten Agentur für Arbeit zu stellen. Die Frist beginnt mit Ablauf des Anspruchszeitraums (Kalendermonats), für den das KUG beantragt wird. Eine Zusammenfassung mehrerer Kalendermonate zur Wahrung der Ausschlussfrist ist nicht möglich.
6. Hinweise
Wird Kurzarbeit nur teilweise in Anspruch genommen, stockt die Agentur für Arbeit die Vergütung um das KUG auf, was der Höhe nach 60 % des Nettolohns bei Kinderlosen und 67 % bei Arbeitnehmern mit auf der Lohnsteuerkarte eingetragenen Kindern entspricht. Bei Kurzarbeitergeld Null werden max. 67 % des bisherigen Nettolohns als KUG gezahlt. Beschäftigte in Corona-bedingter Kurzarbeit, deren Arbeitszeit um mindestens 50 Prozent reduziert ist, erhalten im Übrigen mehr Geld, wenn die Kurzarbeit eine bestimmte Dauer überschreitet: Ab dem 4. Monat des Kurzarbeitergeldbezugs steigt das KUG auf 70 Prozent des entgangenen Nettoentgelts (77 Prozent für Haushalte mit Kindern), ab dem 7. Monat des KUG-Bezuges steigt das Kurzarbeitergeld auf 80 Prozent des entgangenen Nettoentgelts (87 Prozent für Haushalte mit Kindern). Diese Regelung gilt längstens bis zum 31.12.2020. Die Regierungskoalition hat außerdem die Hinzuverdienstmöglichkeiten für Beschäftigte in Kurzarbeit erweitert: Künftig dürfen Kurzarbeiterinnen und Kurzarbeiter aller Berufe bis zur vollen Höhe ihres bisherigen Monatseinkommens hinzuverdienen. Diese Regelung gilt ab 01.05. bis zum 31.12.2020.
Weigern sich Arbeitnehmer, die Einwilligung zur Kurzarbeit zu erklären und ist im Unternehmen kein Betriebsrat vorhanden, sollte der Arbeitgeber überlegen, ob er das Arbeitsverhältnis mit dem Arbeitnehmer nicht betriebsbedingt kündigt. Die betriebsbedingte Kündigung wird nicht erfolgversprechend möglich sein, weil eine betriebsbedingte Kündigung den dauerhaften Wegfall des Arbeitsplatzes erfordert. Denn angedacht ist, die Beschäftigten künftig wieder unverändert weiter zu beschäftigen. Mit der Kündigung kann aber auf den Arbeitnehmer Druck ausgeübt werden, doch noch seine Einwilligung zur Kurzarbeit zu erklären. Anschließend kann mit dem Arbeitnehmer vergleichsweise geregelt werden, dass die Kündigung das Arbeitsverhältnis nicht beendet, er aber nunmehr der Kurzarbeit zustimmt.
Infolge der gesetzlichen Neuregelungen kann nunmehr auch der Arbeitgeberanteil am Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Agentur für Arbeit übernommen werden. Neu ist auch, dass für Leiharbeitnehmer KUG beantragt werden kann.