1. Vergütungs- und Arbeitspflicht im Zusammenhang mit Corona-Ereignissen
Eine besonders wichtige Frage ist, was mit dem Vergütungsanspruch passiert, wenn der Arbeitgeber die Arbeitnehmer freistellt bzw. der Arbeitnehmer nicht zum Dienst erscheint, wenn Betriebe geschlossen werden oder Beschäftigungsverbote durch die Behörden angeordnet werden.
1.1. Freistellung durch den Arbeitgeber
Erfolgt eine Freistellung durch den Arbeitgeber, behalten die Arbeitnehmer grundsätzlich gemäß § 615 BGB ihren Vergütungsanspruch, ohne Arbeitsleistungen erbringen zu müssen. Der Arbeitgeber trägt das sog. Wirtschaftsrisiko. Dies meint Fälle, in denen wegen Auftrags- oder Absatzmangel der Betrieb nicht weitergeführt werden kann. Ein ähnlicher Fall liegt vor, wenn ein Arbeitsausfall eintritt, weil wichtige Lieferanten – wie beispielsweise aus China – ihre Vorprodukte nicht anliefern können. In diesen Fällen muss der Arbeitgeber weiterhin das Arbeitsentgelt zahlen. Dass er die Arbeitsleistung nicht verwerten kann, gibt ihm nicht das Recht, das Arbeitsentgelt zu verweigern.
1.2. Arbeitnehmer bleibt zu Hause
Bleiben Arbeitnehmer hingegen von sich aus zu Hause, um beispielsweise Infektionsrisiken in den von ihnen genutzten öffentlichen Verkehrsmitteln zu entgehen, verlieren sie ihren Vergütungsanspruch. Üblicherweise tragen Arbeitnehmer das sog. Wegerisiko. Die potentielle Ansteckungsgefahr führt zudem nicht dazu, dass Arbeitnehmer einen Anspruch darauf haben, von zuhause aus zu arbeiten.
Ein Vergütungsanspruch kann sich allerdings im Einzelfall aus § 616 Satz 1 BGB ergeben. Danach wird der Arbeitnehmer des Anspruchs auf die Arbeitsvergütung nicht dadurch verlustig, dass er für eine verhältnismäßig nicht erhebliche Zeit durch einen in seiner Person liegenden Grund ohne sein Verschulden an der Dienstleistung verhindert wird. Dies betrifft beispielsweise Fälle, in denen Arbeitnehmer zur Betreuung ihrer Kinder zu Hause bleiben, weil Kitas geschlossen werden und die Kinder nicht anderweitig betreut werden können. Aber auch hier kommt es auf den Einzelfall an.
1.3. Erkrankung des Arbeitnehmers
Im Falle einer Erkrankung hat ein Arbeitnehmer gem. § 3 Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) einen gesetzlichen Entgeltfortzahlungsanspruch für die Dauer von sechs Wochen. Ist der Arbeitnehmer allerdings am Corona-Virus erkrankt und ist zugleich von den Behörden nach § 31 Satz 2 Infektionsschutzgesetz (IfSG) ein Beschäftigungsverbot angeordnet worden, konkurriert der Entgeltfortzahlungsanspruch des Arbeitnehmers nach § 3 EFZG mit dessen Entschädigungsanspruch infolge des Beschäftigungsverbotes nach § 56 Abs. 1 IfSG. Danach wird derjenige, wer als Ausscheider einer Infektion, als Ansteckungsverdächtiger, Krankheitsverdächtiger oder sonstiger Träger von Krankheitserregern einem Verbot der Ausübung seiner Arbeitstätigkeit unterliegt, vom Staat entschädigt. Er erhält in Höhe seines Verdienstausfalles für die Dauer von sechs Wochen eine Entschädigung, die dem Arbeitsentgelt entspricht. Der Arbeitgeber muss die jeweiligen Beträge zwar zunächst an den Arbeitnehmer auszahlen, kann sich diese dann aber auf Antrag und unter Beachtung der maßgeblichen Fristen von der zuständigen Behörde erstatten lassen.
1.4.Betriebsschließung
Wird der Betrieb aufgrund des bestehenden Infektionsrisikos auf behördliche Anordnung geschlossen , stellt sich die Frage, ob der Arbeitgeber in diesem Fall den Arbeitslohn an die Arbeitnehmer weiterzahlen muss. Grundsätzlich trägt der Arbeitgeber das sog. Betriebsrisiko. Er ist daher auch bei von ihm nicht verschuldeten Betriebsstörungen in aller Regel verpflichtet, die Gehälter an die Arbeitnehmer weiter zu zahlen. Unter das vom Arbeitgeber zu tragende Betriebsrisiko fallen etwa technische Betriebsstörungen aufgrund von Explosionen, Bränden, Kurzschlüssen oder sonstiger Unterbrechungen der Strom-, Gas- oder Wasserversorgung. Zum Betriebsrisiko gehören allerdings auch Betriebsstörungen aufgrund höherer Gewalt, Unglücksfällen und Naturkatastrophen sowie bei hoheitlichen Betriebsverboten. So wurde in der Vergangenheit beispielsweise ein Betriebsverbot wegen Smogalarm als Betriebsrisiko angesehen. Lediglich die allgemeinen Gefahrenlagen etwa durch Kriege, Unruhe oder Terroranschläge stellen kein Betriebsrisiko dar. Ob eine behördlich angeordnete Betriebsschließung im Zusammenhang mit den aktuellen Corona-Ereignissen dem Betriebsrisiko zuzuordnen ist oder als allgemeine Gefahrenlage angesehen werden kann, ist völlig ungeklärt. Auch wenn einiges dafürspricht, von einer allgemeinen Gefahrenlage auszugehen, kann eine andere Bewertung durch einzelne Arbeitsgerichte nicht ausgeschlossen werden.
Entscheidet sich der Arbeitgeber allerdings selbst – ohne behördliche Anordnung –, den Betrieb ganz oder teilweise einzustellen, behält der Arbeitnehmer in jedem Fall den Lohnanspruch.
2. Kurzarbeit
Der Arbeitgeber bleibt bei Betriebseinschränkungen aufgrund des Coronavirus zunächst für die Arbeitsentgelte seiner Arbeitnehmer zahlungspflichtig, da die Risiken oft zu seinem Betriebsrisiko zählen. Das gilt insbesondere, wenn Vorprodukte nicht geliefert werden. Auch die Ausgleichspflicht des Staates gem. § 56 IfSG entlastet den Arbeitgeber grundsätzlich nur bei behördlichen Maßnahmen, die sich unmittelbar gegen den Arbeitnehmer richten, nicht aber bei mittelbaren Folgen der Erkrankungswelle, die den Betrieb betreffen. Der Arbeitgeber kann sich von einem Teil des Risikos über die Beantragung von Kurzarbeitergeld gemäß § 95 ff. SGB III entlasten.
Voraussetzung für den Bezug von Kurzarbeitergeld ist, dass die üblichen Arbeitszeiten vorrübergehend wesentlich verringert sind. Das kann zum Beispiel der Fall sein, wenn aufgrund des Corona-Virus Lieferungen ausbleiben und dadurch die Arbeitszeit verringert werden muss oder staatliche Schutzmaßnahmen dafür sorgen, dass der Betrieb vorrübergehend geschlossen wird.
Die Gewährung von Kurzarbeitergeld kann nicht einfach nachträglich beantragt werden. Vielmehr ist der Arbeitsausfall bei der Arbeitsagentur unverzüglich gemäß § 99 SGB III anzuzeigen und die Gewährung von Kurzarbeitergeld zu beantragen. Der Arbeitgeber muss grundsätzlich alle Maßnahmen zur Vermeidung des Arbeitsausfalls ergreifen. Hierzu gehört ggf. auch die Gewährung von Urlaub nach den gesetzlichen Regeln oder die Auflösung von Arbeitszeitguthaben. Hier wird sich erst noch zeigen, wie flexibel die Arbeitsagenturen bei diesen Fragen sind.
3. Fürsorgepflicht des Arbeitgebers
Die arbeitgeberseitige Fürsorgepflicht verpflichtet den Arbeitgeber insbesondere zum Schutz der Gesundheit seiner Mitarbeiter. Der Arbeitgeber muss insoweit jedenfalls Maßnahmen treffen, damit sich Arbeitnehmer nicht am Arbeitsplatz anstecken. Dazu gehören insbesondere Desinfektionsmittel vor allem in den sanitären Anlagen und an den Zugängen des Betriebes. Auch sollten sämtliche Dienstreisen in gefährdete Gebiete (Reisewarnung Auswertiges Amt) untersagt, abgesagt oder verschoben werden.
Bei einem Corona-Verdacht im Unternehmen sollte umgehend das zuständige Gesundheitsamt informiert und der betroffene Mitarbeiter von anderen Personen getrennt werden