Überwachung mittels Keylogger – Verwertungsverbot
Der Einsatz eines Software-Keyloggers, mit dem alle Tastatureingaben an einem dienstlichen Computer für eine verdeckte Überwachung und Kontrolle des Arbeitnehmers aufgezeichnet werden, ist nach § 32 Abs. 1 BDSG (Bundesdatenschutzgesetz) unzulässig, wenn kein auf den Arbeitnehmer bezogener, durch konkrete Tatsachen begründeter Verdacht einer Straftat oder einer anderen schwerwiegenden Pflichtverletzung besteht. Der Kläger war bei der Beklagten seit 2011 als „Web-Entwickler“ beschäftigt. Im Zusammenhang mit der Freigabe eines Netzwerks teilte die Beklagte ihren Arbeitnehmern im April 2015 mit, dass der gesamte „Internet-Traffic“ und die Benutzung ihrer Systeme „mitgeloggt“ würden. Die Auswertung zeigte, dass der Kläger während der Arbeitszeit private Dinge erledigte. Daraufhin kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich und hilfsweise ordentlich. Die durch den Keylogger gewonnenen Erkenntnisse über die Privattätigkeiten des Klägers durften im gerichtlichen Verfahren nicht verwertet werden, so das BAG. Die Beklagte hat durch dessen Einsatz das als Teil des allgemeinen Persönlichkeitsrechts gewährleistete Recht des Klägers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) verletzt. Die Informationsgewinnung war nicht nach § 32 Abs. 1 BDSG zulässig. Hinsichtlich der vom Kläger eingeräumten Privatnutzung war eine Kündigung ohne vorherige Abmahnung nicht wirksam.
BAG, Urt. vom 27.07.2017, 2 AZR 681/16
Tarifeinheitsgesetz weitestgehend mit dem Grundgesetz vereinbar
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hat entschieden, dass die Regelungen des Tarifeinheitsgesetzes weitgehend mit dem Grundgesetz vereinbar sind. Die Auslegung und Handhabung des Gesetzes muss allerdings der in Art. 9 Abs. 3 GG grundrechtlich geschützten Tarifautonomie Rechnung tragen; über im Einzelnen noch offene Fragen haben die Fachgerichte zu entscheiden. Unvereinbar ist das Gesetz mit der Verfassung nur insoweit, als Vorkehrungen dagegen fehlen, dass die Belange der Angehörigen einzelner Berufsgruppen oder Branchen bei der Verdrängung bestehender Tarifverträge einseitig vernachlässigt werden. Der Gesetzgeber muss insofern Abhilfe schaffen. Bis zu einer Neuregelung darf ein Tarifvertrag im Fall einer Kollision im Betrieb nur verdrängt werden, wenn plausibel dargelegt ist, dass die Mehrheitsgewerkschaft die Belange der Angehörigen der Minderheitsgewerkschaft ernsthaft und wirksam in ihrem Tarifvertrag berücksichtigt hat. Das Gesetz bleibt mit dieser Maßgabe ansonsten weiterhin anwendbar. Die Neuregelung ist bis zum 31. Dezember 2018 zu treffen.
BVerfG, Urt. vom 11.07.2017, 1 BvR 1571/15
Verpflichtung zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes
Die Parteien stritten über eine Verpflichtung des Beklagten zur Zahlung von Beiträgen zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Das Bundesarbeitsgericht hatte mit Beschluss vom 21.09.2016, 10 ABR 33/15, entschieden, dass die Allgemeinverbindlichkeitserklärungen für das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe für mehrere Jahre unwirksam sind. Daraufhin ist ein Gesetzgebungsverfahren zur Stützung des Sozialkassenverfahrens im Baugewerbe (VTV) initiiert worden. Es sieht vor, dass der VTV in seiner jeweiligen Fassung rückwirkend bis zum Jahr 2006 ohne Rücksicht auf eine Allgemeinverbindlichkeitserklärung „gelten“ soll. Das Gesetz ist am 25.05.2017 in Kraft getreten. Der Kläger hatte im Klageverfahren eingewandt, dass das neue Gesetz gegen das Verbot der echten Rückwirkung verstößt, wonach ein Gesetz nicht rückwirkend in Kraft treten dürfe. Die echte Rückwirkung sei verfassungsrechtlich grundsätzlich unzulässig. Das Berufungsgericht war anderer Auffassung und hatte auf überragende Belange des Gemeinwohls verwiesen, die eine Ausnahme des Rückwirkungsverbots rechtfertigen.
Hessisches Landesarbeitsgericht, Urt. vom 02.06.2017, 10 Sa 907/16
Ausschlussfrist – Mindestlohn
Soweit eine arbeitsvertragliche Klausel (hier: Ausschlussfristen bzw. Verfallfristen) etwaige Ansprüche auf Mindestlohn erfasst, ist sie unwirksam. Diese Wirkung umfasst indes nicht die gesamte Klausel, sondern lediglich die Anwendung auf Mindestlohnansprüche. Das Ziel des Gesetzgebers war es unter anderem, die Arbeitnehmer vor unangemessen niedrigen Löhnen zu schützen. Ein Instrument der Durchsetzungsfähigkeit ist die Regelung des § 3 MiLoG (Mindestlohngesetz), die den Anspruch auf Mindestlohn sichern und den Arbeitnehmer vor missbräuchlichen Konstruktionen bewahren soll. Dagegen war es nicht das Anliegen des Gesetzgebers, (arbeitsvertragliche) Ausschlussklauseln generell zu unterbinden. Dies ergibt sich aus der eindeutigen Formulierung des Gesetzes. Der Begriff „insoweit“ schränkt die Rechtsfolge – die Unwirksamkeit einer entsprechenden, den Mindestlohn gefährdenden Regelung – ein und begrenzt sie auf diesen Fall. Dies entspricht dem am Regelungszweck orientierten Übermaßverbot. Eine andere Auslegung wäre im Hinblick auf das rechtsstaatliche Prinzip der Gewaltenteilung bedenklich.
LAG Nürnberg, Urt. vom 09.05.2017, 7 Sa 560/16
Ausgleich für unionsrechtswidrige Zuvielarbeit von Feuerwehrbeamten
Feuerwehrbeamte, die sich freiwillig bereit erklärt haben, über die unionsrechtlich zulässige Höchstarbeitszeit von 48 Stunden in der Woche hinaus Dienst zu leisten, können hierfür von ihrem Dienstherrn Freizeitausgleich verlangen. Kann der Dienstherr den primär auf Freizeitausgleich gerichteten Ausgleichsanspruch der Beamten nicht binnen Jahresfrist erfüllen, so besteht ab dem Folgemonat der Geltendmachung dieses Anspruchs ein Entschädigungsanspruch in Geld. Zur Begründung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt: Dem Grunde nach ist ein unionsrechtlicher Haftungsanspruch der Kläger gegen ihre Dienstherren zu bejahen. Die unionsrechtlich fehlerhafte Umsetzung der nach der EU-Arbeitszeitrichtlinie möglichen Ausnahmeregelung („Opt-out“) von der wöchentlichen Höchstarbeitszeit von 48 Stunden (mit Einverständnis der Beamten) ist zwar vom Landesgesetzgeber zu verantworten. Die Anwendung des fehlerhaften Landesrechts – hier: von Rechtsverordnungen über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten aus den Jahren 2007 und 2009 – ist aber den beklagten Städten als Dienstherren der Feuerwehrbeamten anzulasten. Denn damit haben sie den Anwendungsvorrang des Unionsrechts nicht beachtet. Die Rechtsverordnungen verletzen offenkundig jedenfalls das in der EU-Arbeitszeitrichtlinie geregelte Nachteilsverbot, wonach keinem Arbeitnehmer Nachteile daraus entstehen dürfen, dass er nicht bereit ist, mehr als 48 Stunden innerhalb eines Siebentageszeitraums zu arbeiten. Dieses Nachteilsverbot hat der brandenburgische Gesetzgeber erst in einer 2014 in Kraft getretenen Rechtsverordnung über die Arbeitszeit von Feuerwehrbeamten normiert.
BVerwG, Urt. vom 20.07.2017, 2 C 31.16
Keine Anrechnung von Tätigkeiten im Beamtenverhältnis als Beschäftigungszeiten i. S. v. § 34 Abs. 3 TV-L
Es verstößt nicht gegen höherrangiges Recht, dass Beamtenverhältnisse nicht in die Beschäftigungszeit des § 34 Abs. 3 TV-L einbezogen werden. Die Klägerin wollte die Zeit ihres Beamtenverhältnisses als Beschäftigungszeit i. S. v. § 34 Abs. 3 TV-L festgestellt wissen. Wechseln Beschäftigte zwischen Arbeitgebern, die vom Geltungsbereich des TV-L erfasst werden, werden die Zeiten bei dem anderen Arbeitgeber nach § 34 Abs. 3 Satz 3 TV-L als Beschäftigungszeit anerkannt. Die Klägerin meint, § 34 Abs. 3 TV-L knüpfe an die Vorgängernorm des § 19 Abs. 3 BAT an, die Beamtenverhältnisse berücksichtigt habe, obwohl Beamtenverhältnisse in § 34 Abs. 3 TV-L nicht erwähnt seien. Das hat das BAG anders gesehen und darauf verwiesen, dass die Tarifvertragsparteien Beamtenverhältnisse bewusst von der Beschäftigungszeit des § 34 Abs. 3 TV-L ausnehmen wollten.
BAG, Urt. vom 29.06.2017, 6 AZR 364/16