Nach § 622 Abs. 3 BGB kann ein Arbeitsverhältnis während der Probezeit zwar grds. mit einer verkürzten Frist von zwei Wochen gekündigt werden. Sieht der vom Arbeitgeber vorformulierte Arbeitsvertrag aber allgemein eine längere Kündigungsfrist vor, ohne unmissverständlich deutlich zu machen, dass diese erst nach der Probezeit greift, ist zugunsten des Arbeitnehmers die längere Frist maßgeblich.
(BAG, 23.3.2017, 6 AZR 705/15)
Der Kläger war im entschiedenen Fall ab April 2014 bei der Beklagten, einem Personaldienstleistungs-Unternehmen, beschäftigt und wurde als Flugbegleiter eingesetzt. Der zwischen den Parteien geschlossene Arbeitsvertrag verwies für die gegenseitigen Rechte und Pflichten auf einen Manteltarifvertrag. Dieser sah während der Probezeit besondere Kündigungsfristen vor. Der Arbeitsvertrag regelte eine Probezeit von sechs Monaten und sah in §8 – ohne weitere Anmerkungen – eine Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Monatsende vor.
Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis dem Kläger mit Schreiben vom 05.09.2014 zum 20.09.2014. Der Kläger erhob Kündigungsschutzklage und begehrte die Feststellung, das Arbeitsverhältnis habe aufgrund der sechswöchigen Kündigungsfrist nach §8 des Arbeitsvertrags erst zum 31.10.2014 geendet. Dieser Klage gab das Landesarbeitsgericht statt. Aus Sicht des Gerichts durfte der durchschnittliche Arbeitnehmer, hier der Kläger, auf die explizit geregelte Frist in §8 vertrauen. Dies gründet auf dem eindeutigen Wortlaut und der Systematik des Vertragstextes. Er musste nicht davon ausgehen, dass der Verweis auf den Manteltarifvertrag oder die Probezeitregelung in §3 etwas anderes bedeuten könnten.