Nachfolgend finden Sie eine Übersicht zu aktuellen Entwicklungen zum Mindestlohngesetz.
1. Anwendungsbereich des MiLoG
Nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 MiLoG hat jeder Arbeitnehmer Anspruch auf Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns durch den Arbeitgeber. Der Mindestlohn ist unabdingbar, der Arbeitnehmer kann auf den Mindestlohn nicht verzichten. Alle Abreden die darauf hinauslaufen, den Mindestlohn freiwillig zu unterschreiten, haben keine Wirksamkeit.
Hinsichtlich des Anwendungsbereiches des MiLoG bestehen nach wie vor Unklarheiten bei Praktikanten. Grundsätzlich haben auch Praktikanten Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Es gibt aber gesetzlich geregelte Ausnahmen von der Mindestlohnpflicht. So muss etwa bei ausbildungs- oder studienbegleitenden Praktika oder sog. Orientierungspraktika kein Mindestlohn gezahlt werden. Weitere Ausnahmen vom gesetzlichen Mindestlohn bestehen im Übrigen bei Kindern und Jugendlichen, bei Auszubildenden und bei ehrenamtlich Tätigen. Aktuell besonders umstritten ist zudem die Frage, ob auch anerkannte Asylbewerber einen Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn haben sollen. Eine gesetzliche Ausnahmeregelung besteht insoweit nicht. Hier muss die weitere Entwicklung abgewartet werden.
2. Berechnung des Mindestlohns
Jeder Arbeitnehmer hat Anspruch auf Zahlung eines Mindestlohns i.H.v. 8,50 € je Zeitstunde. Grundsätzlich fällt unter den Mindestlohn nach dem MiLoG nur die sog. Vollarbeit, d. h. die Zeit, in der der Arbeitnehmer tatsächlich Arbeit verrichtet. Pausenzeiten sind grundsätzlich nicht zu vergüten. Auch für Zeiten einer Rufbereitschaft, während der sich der Arbeitnehmer an einem selbst gewählten Ort aufhalten darf, besteht kein Anspruch auf den gesetzlichen Mindestlohn. Anders verhält es sich hingegen bei der Arbeitsbereitschaft, während der sich der Arbeitnehmer an einem vom Arbeitgeber bestimmten Ort aufhalten muss. Mit einem aktuellen Urteil vom 29.06.2016 (Az. 5 AZR 716/15) hat das Bundesarbeitsgereicht diese Zeiten mit der Vollarbeit gleichgestellt, mit der Folge, dass der gesetzliche Mindestlohn zu zahlen ist.
Das MiLoG selbst enthält zudem keine Regelung dazu, welche Entgeltbestandteile neben dem regelmäßigen Arbeitsentgelt in Anrechnung gebracht werden können. Fraglich ist hier insbesondere, ob Sonderleistungen, wie z.B. ein zusätzliches Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld oder Zuschläge mit dem gesetzlichen Mindestlohn verrechnet werden dürfen. Zu dieser Streitfrage sind inzwischen erste arbeitsgerichtliche Urteile ergangen:
Mit Urteil vom 03.03.2015 (Az. 54 Ca 14420/14) hatte das Arbeitsgericht Berlin entschieden, dass ein vom Arbeitgeber gezahltes Urlaubs- oder Weihnachtsgeld nicht auf den gesetzlichen Mindestlohn angerechnet werden kann. Dies betraf allerdings nur den Fall einer einmaligen jährlichen Sonderzahlung. Diese Entscheidung wurde inzwischen vom Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg bestätigt (Az. 8 Sa 677/15). Für monatlich anteilig ausgezahltes Weihnachts- und Urlaubsgeld hat Bundesarbeitsgericht in seiner ersten Entscheidung zum Mindestlohngesetz mit Urteil vom 25.05.2016 (Az. 5 AZR 135/16) entschieden, dass in diesem Fall eine Anrechnung auf den gesetzlichen Mindestlohn erfolgen dürfe. Darüber hinaus hat das Bundesarbeitsgericht in seinem Urteil vom 25.05.2016 auch entschieden, dass Zuschläge für Überstunden-, Sonn- und Feiertagsarbeit sowie eine Jahressonderzahlungen nicht auf Basis des Mindestlohns berechnet werden dürfen. Nur die Zuschläge für Nachtarbeit sind auf der Grundlage des gesetzlichen Mindestlohns zu berechnen.
3. Auftraggeberhaftung
Für große Aufregung in der Praxis haben die Vorschriften zur Auftraggeberhaftung gesorgt. Danach haften Unternehmen dafür, dass beauftragte Nachunternehmen den gesetzlichen Mindestlohn an ihre Arbeitnehmer zahlen. Für eine Haftung kommt es nicht auf ein Verschulden des Auftraggebers an. Umstritten ist insoweit die Frage, ob von der Haftung jeder Auftraggeber oder nur der sogenannte „Generalunternehmer“ erfasst ist. Es ist wohl davon auszugehen, dass die Auftraggeberhaftung des MiLoG als Generalunternehmerhaftung zu verstehen ist. Dies bedeutet, dass nur derjenige Unternehmer haftet, der zur Erfüllung eigener vertraglicher Verpflichtungen Dritte einschaltet. Die Reparatur einer gebrochenen Wasserleitung im Betrieb, der Bau einer eigenen Lagerhalle oder der Betrieb einer Kantine für die eigenen Mitarbeiter ist somit nicht von der Auftraggeberhaftung erfasst, weil damit keine eigenen vertraglichen Verpflichtungen erfüllt werden. Die Haftung ist zudem auf das Nettoentgelt beschränkt. Lediglich im Baugewerbe erstreckt sich die Haftung auch auf die Sozialversicherungsbeiträge.
4. Dokumentationspflichten
Wenig bekannt, aber umso wichtiger sind die im MiLoG geregelten Dokumentationspflichten. Danach ist der Arbeitgeber verpflichtet, bei geringfügig Beschäftigten und in bestimmten Branchen, Beginn, Ende und Dauer der täglichen Arbeitszeit aufzuzeichnen. Die Aufzeichnungen müssen mindestens zwei Jahre aufbewahrt werden. Die Nichteinhaltung dieser Aufzeichnungspflichten stellt eine Ordnungswidrigkeit dar und wird mit Geldbußen geahndet.
Die Mindestlohndokumentationspflichtenverordnung (MiLoDokV) hatte bisher diese Aufzeichnungspflichten dahingehend eingeschränkt, dass der Arbeitgeber bei Arbeitnehmern mit einem regelmäßigen Monatsgehalt von über 2.958,00 € brutto nicht zu einer entsprechenden Aufzeichnung verpflichtet war. Diese relativ hohe Grenze ist vielfach auf Kritik gestoßen. Zum 01.08.2015 ist die Neufassung der MiLoDokV in Kraft getreten. Die Aufzeichnungsflicht nach dem MiLoG entfällt danach bereits dann, wenn das regelmäßige Monatsentgelt mehr als 2.000,00 € beträgt. Im Übrigen regelt jetzt § 1 Abs. 2 MiLoDokV, dass die Aufzeichnungspflichten bei der Beschäftigung von engen Familienangehörigen nicht mehr anzuwenden sind.
Darüber hinaus ist die Mindestlohnaufzeichnungsverordnung (MiLoAufzV) zu beachten. Nach dieser genügt der Arbeitgeber seinen Aufzeichnungspflichten in bestimmten Fällen schon dann, wenn er nur die Dauer der tatsächlich täglichen Arbeitszeit aufzeichnet. Dies gilt für Arbeitnehmer mit ausschließlich mobilen Tätigkeiten, die keinen Vorgaben zur konkreten täglichen Arbeitszeit (Beginn und Ende) unterliegen und sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen. Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, muss in jedem Einzelfall genau geprüft werden.
5. weitere Entwicklung
Die Jahre 2016 und 2017 sind insbesondere deshalb für den Mindestlohn relevant, weil die erste Anpassung des Mindestlohns ansteht. Am 28.06.2016 hat die Mindestlohnkommission eine Anpassung des gesetzlichen Mindestlohns auf 8,84 € vorgeschlagen. Der gesetzliche Mindestlohn steigt somit zum 01.01.2017 um 34 Cent. Arbeitsverträge müssen daher überprüft und Gehälter gegebenenfalls an den gestiegenen Mindestlohn angepasst werden.